Vor ein paar Tagen las ich das IKEA-Workout von Erdbeerlila und ihren verzweifelten Versuchen, das schlecht gelaunte zweijährigen Kind während dem Möbelslalom bei Laune zu halten. Ich wollte Maras Workout jetzt nicht unbedingt nachmachen, aber ihr Post erinnerte mich daran, dass wir doch dieses Wochenende eigentlich das neue Regal für den feinen Herrn kaufen könnten.

Gesagt getan, wir packten die Kids am Samstag mittag ins Auto. Köttbullar essen und „schnell“ das Regal einladen – so ein IKEA-Quickie kann ja nicht anstrengend werden. Wie dumm von mir.

Der erste verregnete Samstag seit Wochen und im Geschäft war es natürlich mega voll. Der Iro-Mann stellte sich beim Essen an, während ich mich mit dem feinen Herrn im Spielbereich des Restaurants hinsetzte. Der Rabukowitsch flitzte freudig hin und her und ich hatte ihn bequem im Blick. Ab und zu hielt ich Ausschau nach dem Mann oder sprach mit HerrnSjardinski, der auf meinem Schoß saß.

Kurz nicht hingeschaut und schon erspähe ich den Rabauko, der gerade über den Tresen klettern will. Während ich ihn da runter pflücke, baut sich ein Mann vor mir auf, der die ganze Zeit mehrere Tische hinter mir gesessen hat.

„Ist das Ihrer?“ Ooooarr, was für ne Frage. Das kann nix Gutes heißen….Mimimimi

Ich zögere. Am liebsten hätte ich wie der Rabauke in solchen Situationen mit „Meine Baba is Arbeitäään“ geantwortet und wäre weggerannt. Nun, das käme jetzt vielleicht etwas doof. Und ich hätte ja auch noch meine Jungs mitschleppen müssen.

„Ähm, jaaa?“

„Ihr Kind hat mein Kind gebissen!!!“ sagt der Vater, zitternd vor Wut und mich erwartungsvoll anschauend. Hinter ihm sehe ich einen etwa Vierjährigen mit einer fiesen Schramme am Auge. Yo. Und nun? Soll ich die Polizei einfliegen lassen? Ich habe es nicht gesehen und der aufgebrachte Vater an seinem Tisch hinter mir sicherlich auch nicht. Der Rabauke auf meinem Arm grinst fröhlich.

„Und was soll ich jetzt machen?“ Verdammt, meine Antwort ist so lasch. Hallo – der Rabauke ist zwei – der andere bestimmt vier! Klar ist es nicht schön, wenn dann ein Kind verletzt ist. Aber soll ich nun der Schiedsrichter sein? Soll ich nun bestrafen, wenn ich die Situation vorher nicht mitbekommen habe? Was erwartet der von mir mit seiner Frage?

„Ich wollte nur, das Sie wissen, dass Ihr Kind SOWAS macht“, der wütende Papa spuckt die Worte förmlich raus.

Ah – ok? Und jetzt? Der Rabauko hat seit einem Jahr nicht gebissen. Er petzt aber ganz gerne, vor allem wenn er müde ist und sich bedrängt fühlt. Vielleicht hat der Große ihn ja geärgert, geschubst oder sonstwas?

Ein bisschen kann ich aber auch den Vater verstehen. Einmal auf einem Indoorspielplatz wurde der feine Herr von einem viel älteren Jungen gehauen. Weil der vielleicht achtjährige Junge nicht wollte, dass der damals dreijährige Herr die Riesenlegosteine mitbenutzt. Alles vor meinen Augen. Ich stellte den Jungen damals zur Rede und drohte, seinen Eltern zu sagen, dass er kleine Kinder haut. Dummerweise kam dann der Vater um die Ecke. So ein Jogginghosen-Kerl mit Stiernacken, der gleich rumblaffte. Mir tat der Junge auf einmal unglaublich Leid – wenn das der Ton daheim ist, dann wurde mir sein Verhalten – Schwächere zu malträtieren – auf einmal sehr klar.

Tja, jetzt war ich die Assi-Mutter. Mit dem Assi-Kind, dass ältere Kinder übel zurichtet. Mäh! Und was mache ich? Ich lasse den vor Wut schäumenden Vater stehen. Ich hab nämlich keine Bock, mich mit ihm weiter auseinanderzusetzen. Ich dreh mich zum Rabauko: „Hast du eben einen Jungen gebissen?“

„Jaaa, hab gebisse.“ Mh? Er gibt es zu, wobei ich glaube, dass er gepetzt hat. Aber gut. Ich erkläre ihm, dass er niemandem weh tun soll und dass er nicht mehr weiterspielen darf. Der Rabauko weint und quengelt.

Zu meiner Rettung kommt da der Iro-Mann mit dem Essen. Schnell weg hier. Gut, vielleicht hätte ich den Rabauken noch zwingen sollen, sich bei dem Jungen zu entschuldigen? Aber irgendwie hatte ich keine Lust auf diesen Vater, der mich immer noch anfunkelt, als ob ich seinen Sohn gebissen hätte und nicht ein Kleinkind.

Seit gestern kann ich sagen: es liegt nicht an dem Schweden und auch nicht an der Kindeslaune. Nein, vielleicht ist es ja generell ziemlich unklug, mit einem müden Zweijährigen in ein überfülltes lautes Möbelgeschäft zu fahren.

Wie hättet ihr reagiert? Was macht man eigentlich, wenn man nicht mitbekommt, wie das eigene Kind übergriffig wird? Normalerweise gehe ich dazwischen, wenn Gewalt im Spiel ist. Und bei Kindern auf dem Spielplatz – die man eben auch kennt – wird das über die Kinder [entschuldige dich, gib die Schippe zurück, nicht mit Sand werfen, sonst müssen wir heim] geregelt. Aber wie macht man das mit fremden Kindern? Und vor allem mit Eltern, die so krass uncool reagieren?