Es gibt so Tage, an denen ist mein Hals ganz rau vom vielen laut sein und schimpfen. Wenn alles aufeinander kommt – eine Nacht mit wenig Schlaf, viel zu tun auf der Arbeit, die Katze hat in die Küche gekotzt und dann landet noch zum drölfzigsten Mal die Schorle auf dem frisch gewischten Boden und die Jungs sind nur am streiten – ja, dann ist so ein Tag. Kennt ihr die auch?

Diese Tage sind einfach nur furchtbar. Doch sie sind bei mir zum Glück nicht so häufig. Und doch tut es mit immer leid, wenn ich dann wegen Kleinigkeiten explodiere. Sheila McCraith ging es ähnlich – sie schrie ihre vier Söhne täglich an, bis sie beschloss, sich zu ändern. Die Orange-Rhino-Challenge war geboren. Und sie zog es durch und schaffte es über 365 Tage am Stück, nicht zu schreien.

In „Erziehen ohne Auszurasten“ verrät Sheila, wie sie das geschafft hat und gibt interessante Impulse, um sein Verhalten zu verändern: seine Wut unter Kontrolle zu bekommen, sich abzulenken und liebevoll mit seinen Kindern zu interagieren. Und aus einem grauen gereizten „Rhino“ ein warmes liebevolles orangenes zu werden.

Das Buch ist in viele Häppchen für eine 30-tägige Challenge unterteilt, so dass auch eine vielbeschäftigte Mama sich Stück für Stück durchlesen kann. Jedes Kapitel besteht dabei aus einer Story aus Sheilas Alltag mit den Jungs, einer wichtigen Erkenntnis, einfach durchzuführenden Maßnahmen, einem Zitat sowie drei Tipps für den schnellen Umgang mit der Wut.

Ich muss ganz ehrlich sagen, dass unsere Ausgangssituation bei weitem nicht so ist, wie bei den McCraiths. Die Details, die Sheila verrät, lassen sie für mich wie eine verzweifelte, überforderte und cholerische Mutter wirken, die mit der Erziehung ihrer vier Jungs unter 6 Jahren ziemlich allein gelassen wurde, da sie scheinbar wenig vom Vater der Kinder unterstützt wird.

Sie schrie ihre Kinder täglich an, bis diese weinten.

Auch hier kann das mal passieren, aber ich flipp nicht dreimal täglich aus. Manchmal leben wir sogar viele Tage hintereinander ohne Geschimpfe. Und dann gibt es eben wieder solche Tage, an denen der Wurm drin ist. Nicht viele, aber dennoch ist mir das Verhältnis noch zu unausgewogen. Geht es auch ohne Geschreie oder laut sein? Ich möchte mich auch öfter im Griff haben.

Erziehen ohne Auszurasteb

Sheila hat für sich ein ganz klares Symbol geschaffen – das orangene Nashorn, das sie immer wieder motivierte und daran erinnerte, nicht zu schreien. Sie ging sogar so weit, dass sie ihren Jungs und sich selbst in Orange einkleidete, ihr Haus mit orangenen Details dekorierte, orangene Post-its verwendete und orangene Servietten.

Für sie mag dies das perfekte Symbol sein. Für mich wäre das keine Option.

Ganz ehrlich finde ich es sogar ziemlich albern. Wenn ich schon dran denke, den feinen Herrn mit seinem exklusiven Klamottengeschmack in orangene Shirts zu zwingen – holy moly. Nicht auszudenken. Orange ist zwar seine Lieblingsfarbe, aber er lässt sich von mir never ever sagen, was er anziehen soll. Ganz davon abgesehen: ICH hasse Orange. Für mich ist die Farbe weder liebevoll, noch warm. Eher aggressiv und…einfach nur börks. Und tja, ein negativer Trigger.

Versteht mich nicht falsch. Ich finde es sehr bewundernswert, wie Sheila ihren Weg gegangen ist und all das geschafft hat. Sich zu ändern und ihre Beziehung zu ihren Kindern liebevoller zu gestalten. Ganz allein. Denn meiner Meinung nach hat sich ihr Mann da nicht gerade mit Ruhm bekleckert.

Aber für mich ist das nichts. Ihr Weg passt nicht zu meinem Leben.

Ich finde es eher menschlich, ab und zu laut zu werden und Emotionen zu zeigen, wenn man dadurch weder seine Kinder verängstigt, noch sie runtermacht oder seelisch misshandelt. Wenn das Ausnahme und nicht Dauerzustand ist. Eine Mutter, die dann in die Kloschüssel brüllt oder ihre Kinder anfängt zu kitzeln oder alberne Worte sagt….mmmh….näh. Is nicht so meins. Auch das möchte ich nicht sein, genausowenig die Brüll-Mama.

Trotzdem habe ich einige der Impulse und Ideen positiv aufgenommen. Zum Beispiel mir zu sagen, dass alles halb so wild ist. Dass es nur „verschüttete Apfelschorle“, „ein zerbrochenes Glas“ oder „5 Minuten zu spät“ ist. Oder statt zu schimpfen einfach mehr nachzufragen und zu zuhören. Ich habe einige Parallelen erkannt, nämlich dass auch ich meist gar kein Problem mit den Kindern habe, wenn ich merke, dass mir die Hutschnur platzt, sondern eigentlich auf etwas ganz Anderes sauer bin.

Ja, ich bin vielleicht kein Orange-Rhino und mit größter Wahrscheinlichkeit werde ich auch nie ein ganzes Jahr schreifrei durch den Alltag kommen. Aber ich bin ein Stück weiter auf dem Weg der Mutter, die ich gerne sein will. Und dafür hat mir Sheilas Challenge immerhin geholfen.

Vielleicht muss ja jeder seinen eigenen Weg finden? Was haltet ihr eigentlich von Erziehungsratgebern?

„Erziehen ohne Auszurasten“ von Sheila McCraith, TRIAS Verlag, 2017 , 212 Seiten,
ISBN: 9783432101699