Wir packen unser Auto, denn wir fahren in den Urlaub. Nach Ungarn. Der erste Urlaub meines Lebens an den ich mich heute erinnern kann. Es ist 1985 und ich bin fast fünf Jahre alt. Ein Teil unseres Gepäckes ist schon im Urlaub. Das haben Oma und Opa mitgenommen, denn sie haben das Ferienhaus gemietet, in dem wir alle zusammen wohnen. Und weil wir für die Reise etwas länger brauchen, sind sie schon vorgefahren.

Also muss zum Glück nicht so viel rein, in unseren Mini. Trotzdem hat mein Papa die Rückbank ausgebaut, die er nun durch Koffer ersetzt. Ich mache mir mit meiner Decke auf den Koffern ein schönes gemütliches Lager. So kann ich auch viel besser schlafen, wenn ich müde werde.

Meine Eltern rauchen auf der Fahrt und wir haben oft das Fenster auf. Der Wind weht mir ins Gesicht. Es ist warm, windig und langweilig. Aber irgendwie gemütlich. Auf halber Strecke machen wir Halt und übernachten in den Bergen. Dort gibt es einen Wasserfall. Das Hotel ist irgendwie alt. 

Und dann sind wir da – in Ungarn. In unserem Ferienhaus mit Oma und Opa, die ihre Zähne nachts zum schlafen in Bechern mit Wasser legen. An den Zähnen hängt sogar noch Zahnfleisch. Das finde ich gruselig.

Die Sprache der Kinder aus der Nachbarschaft kann ich nicht verstehen. Und trotzdem verstehen wir uns, ziehen um die Häuser. Wir haben Hände, Füße und ein Lachen. Ich spiele in fremden Kinderzimmern und esse ungarischen Johannisbeerkuchen.

Und dann sind wir an diesem riesigen See, in dem ich mit meiner Luftmatratze plansche. Hier lerne ich Kerstin kennen. Kerstin kommt aus einem anderen Deutschland. Sie darf nur in Ungarn Urlaub machen, weil die Regierung das so will. Wir können nur hier Urlaub machen, weil wir für andere Ziele kein Geld haben.

Unsere Eltern unterhalten sich viel. Und ich kann jeden Tag mit Kerstin spielen. Später werden wir sie und ihre Familie noch ganz oft besuchen – in dem anderen Deutschland. Dort, wo man im Stroh spielen, auf Bullen reiten und Hühner fangen kann. Wo man Angst vor Soldaten hat, Kater auf den Namen „Susi“ hören und wo es den besten Mohnkuchen der Welt gibt.

Doch nun sind wir hier in Ungarn, alle zusammen. Wir sammeln Weinbergschnecken und essen süße Honigbrote. Ich spiele mit Katzen, während meine Eltern selbstgebrannten Schnaps trinken und ganz lustig werden.

Mein erster Urlaub, an den ich mich erinnern kann. Und die Welt ist genau so wie sie gerade ist gut.

Egal wie scheiße gerade alles für euch ist und wie die Umstände bei euch daheim, auf eurem Konto oder in der Welt sind, eure Kinder werden sich an ganz viele schöne Erlebnisse erinnern. Und einfach nur glücklich sein, weil ihr da seid. Dieser Erinnerungstext entstand auf Anregung durch Martinas Linkparty #Alsichkindwar