Vor kurzem habe ich meine Gedanken zum Thema Religion auf Instagram geschrieben – und es ist eine kleine Diskussion entbrannt. Es gab viel Zuspruch für meine Sicht der Dinge, aber einige hatten auch anderen Input und viele haben einfach ihre Geschichte erzählt. Das fand ich total spannend. Und da dachte ich, ich vertiefe hier nochmal meinen Religions-Post.
Meine Kinder sind getauft. Ich habe kirchlich geheiratet. Weil es meinem Mann viel bedeutet, obwohl auch er nicht gerade gläubig ist. Ich bin nicht getauft, habe mich aber sehr intensiv mit Religion auseinander gesetzt. Reliunterricht, Jungschar, Jugendkreis: Ich war sogar mal auf einer Freizeit mit der Kirche. Aber das war irgendwie wie Gehirnwäsche in einer Sekte. Es hat mich rückblickend sehr entsetzt, wie da mit Jugendlichen umgegangen wurde. Wie sie instrumentalisiert wurden. Ich habe mich abgewendet von der Kirche und viel darüber gelesen – „Nein und Amen“ von Uta Ranke-Heinmann zum Beispiel.
Werte ja – Kirche nein
Mir geht oft die religiöse Übergriffigkeit im Alltag zu weit – wobei ich hier auch nicht kleinlich sein will und auf die Idee käme „St. Martin“ in „Laternenfest“ umzubenennen. Das finde ich wirklich albern. Trotzdem habe ich ein Problem mit Kreuzen in Schulen oder Einrichtung, die ungetauft gar niemanden einstellen. Ich finde es ätzend, dass Menschen sich taufen lassen müssen, um einen Job zu bekommen. Das ist auf so vielen Arten falsch – und ganz bestimmt nicht in „Gottes“ Sinn.
Ich war einmal 5 Tage arbeitslos – mein Arbeitslosengeld wurde mit Kirchensteuer berechnet. Ich hätte kotzen können. Das meine ich mit „Übergriffigkeit“ der Kirche, die mir sehr missfällt. Ich mag zum Beispiel nicht auf einem Friedhof beerdigt werden, das wäre mir viel zu nah an einer Kirche.
Ich stehe allen Religionen sehr kritisch gegenüber, mag aber von einigen manche Ideen und Rituale sehr gerne. Wobei gerade beim Christentum auch sehr viel von den Germanischen Traditionen geklaut wurde – Weihnachten, Ostern & Co sind recycelt. Ob nun die Wintersonnenwende oder Jesus Geburtstag gefeiert wird – Traditionen ändern sich im Laufe der Jahrhunderte. Sie wurden angepasst, umgewandelt, vermischt oder neu erfunden. Es wird immer Feste geben, die uns Menschen etwas bedeuten, in welcher Weise auch immer. Denn wir brauchen solche Meilensteine in unserem Alltag, solche Anker, die uns miteinander verbinden.
Religion und Kinder
Mich fasziniert der heidnische Götterglaube. Und auch der Buddhismus. Trotzdem habe ich noch keine Religion gefunden, die zu mir passt. Ich glaube an die Werte, aber nicht an die Kirche. Ich bin eher ein Mensch der Fakten. Daher erkläre ich dem feinen Herrn, dass in der Bibel Geschichten stehen, wie Märchen oder Parabeln, aus denen wir etwas lernen sollen, die wir auf unseren Alltag und unser Leben beziehen sollen. Ich finde es wichtig, dass meine Kinder allen Religionen offen entgegensehen, ihnen aber kritisch begegnen und sie hinterfragen, anstatt alles Wort für Wort zu glauben. Religion gehört für mich zur Allgemeinbildung.
Daher finde ich es auch ziemlich blöd, dass in den Schulen noch geteilt Religion unterrichtet wird. Katholisch und Evangelisch – tja, und dann hört es auch schon auf. Was ich mit den Mormonen, den Moslems, den Juden und den Orthodoxen? Warum gibt es diese Einteilung an staatlichen Schulen? Warum können nicht alle Kinder gemeinsam die Werte der verschiedenen Glaubensrichtungen lernen – und zwar ganz objektiv? Denn den Glauben und dessen Ausübung kann jeder für sich in seiner eigenen kirchlichen Einrichtung oder daheim vertiefen. Ob man nun Weihnachten oder etwas anderes feiert, bleibt letztendlich jedem selbst überlassen.
Wir feiern Weihnachten, weil es ein so alter Brauch ist. Wir feiern es als lockeres Familienfest, an dem wir alle zusammen sind. Wir feiern es, weil wir in der dunklen Jahreszeit Lichter und Kekse und etwas Schönes brauchen, das uns die Zeit bis zum Frühling verkürzt. Weil ein Dezember ohne Zimt, Tannenduft, Kerzenschein und Familie einfach nicht richtig wäre. Den religiösen Background finde ich dabei völlig unerheblich. Es geht um die Botschaft, für die Weihnachten steht: Das Fest der Liebe.
Liebe Marsha,
du sprichst mir aus der Seele. Ich wundere mich immer wieder über die angebliche „Religionsfreiheit“. Ich sehe davon nichts, wenn mein Kind an der Schule entweder in den katholischen Religionsunterricht geht oder (würde ich sagen „sie darf nicht“) vor der Tür oder bei der Direktorin sitzen würde. Aber die Inhalte, die sie dort lernt, werden ihr quasi als Fakten verkauft. Dabei ist es doch einfach nur ein Glaube von vielen. Genau heute ist ja die Wintersonnenwende auf welche das Fest von Jesus Geburt gesetzt wurde (der erwiesenermaßen im März geboren ist :D) . Das heißt wir haben die längste Nacht und dann wird es wieder heller. Ja, früher, als es noch keinen elektrischen Strom gab, konnte das den Menschen schon Hoffnung geben, dass das Leben weiter geht und es auch wieder wärmer wird. Wir feiern Weihnachten mit dem Weihnachtsbaum (dem Immergrün der Hoffnung), der bestimmt seine Wurzeln im keltischen Baumkult hat. Wir schmücken Ihn und freuen uns an den Farben, während die kalte Winterlandschaft da draußen so farblos ist. Und wir beschenken uns, weil wir uns eine Freude machen wollen. Früher hatten die Menschen (die Bauern) im Winter viel Zeit zum Basteln und Werkeln und Musizieren. Das genieße auch ich im Winter sehr: Enger zusammenzurücken und die Nähe und Wärme der Familie zu spüren.
Schöne Feiertage euch allen, egal welche Religion 🙂
LG Ella
Danke für deine schönen Worte. Eine schöne Ergänzung zu meinem Text, kann mich da nur anschließen. Ich wünsche dir und deinen Lieben auch ein wundervolles Weihnachtsfest.
Liebe Marsha, ich bin religiös und wir erziehen unsere Kinder evangelisch. Aber „trotzdem“ kann ich Deinen Standpunkt verstehen und finde ihn halt sehr reflektiert. Er entspricht Deiner Lebenswelt und darum geht es doch im Endeffekt, dass jeder seinen Weg findet und Entscheidungsfreiheit hat. Ich erlebe Glaube und Kirche anders, nämlich offen für alle und keine Indoktrination. Unsere Kinder sind bzw. waren im evangelischen Kindergarten, wir gehen in den Kindergottesdienst (https://bloggermumofthreeboys.com/2017/10/01/erntedankfest-kindergottesdienst/) und wir haben die katholische Grundschule ausgesucht bzw. unser Großer (ich tendierte zur evangelischen Grundschule). Vielleicht ist es regional ein Unterschied, aber hier dürfen die Gemeinschaftsschulen ausserhalb des Religionsunterrichts keine Religion einbinden, es gibt also keine Feste wie St. Martin oder Nikolaus, städtische Kindergärten ebenfalls nicht. Ich sehe es als für mich wichtig, aber auch Teil der Kultur. Das schließt natürlich andere Religionen ebenfalls ein, zumindest aus meiner Sicht, wenn ein muslimisches Kind in der Klasse ist oder ein jüdisches, sind diese Traditionen und Bräuche genauso relevant. Wie gesagt, ich bin für gegenseitig Offenheit und Akzeptanz. Ich missioniere nicht. Ich glaube an Gott, an einen guten Gott. Mit manchen Glaubensformen habe ich Probleme, generell mit jeglichem Extremismus und Fundamentalismus. Wenn sich Menschen im Namen einer Religion gegen andere wenden, absolutes No-Go. Unser Gemeindeleben ist bunt und fröhlich und sehr offen und es wird auch viel diskutiert. Wir diskutieren auch Zuhause, da wir evangelisch sind und ich manches aus dem (katholischen) Religionsunterricht ein bißchen anders sehe. Aber auch da ist es eine Frage der Akzeptanz. Wenn mein Sohn sich bei Schulgottesdiensten bekreuzigen möchte, kann er das gern tun. Sinnvoll ist es eben auch, zu differenzieren und zu überlegen, welche Werte und Sachen man übernimmt, also das Prinzip der Nächstenliebe sollte selbstverständlich sein, ob man es nun „Nächstenliebe“ nennt oder sich den kategorischen Imperativ überlegt. Es geht um ein soziales Miteinander, egal, ob man nun Christ, Atheist, Moslem oder Buddhist ist. Ich wünsche Euch ein frohes Weihnachtsfest!
Liebe Denise, danke für deine Worte und deine Sichtweise. Eigentlich sind wir vom Grundgedanken ja einer Meinung – eben Offenheit und Toleranz. Aber ich muss nochmal nachfragen, ob ich das richtig verstanden habe: Bei euch gibt es keine Feierlichkeiten wie Nikolaus oder St. Martin? Das ist doch eigentlich total schade, oder?