Sechs Wochen Sommerferien liegen nun hinter uns. Sechs Wochen, in denen der feine Herr so gar keinen Blick in seine Schulhefte geworfen hat und sich vom Alltag hat treiben lassen. Einfach mal faulenzen und nicht nach festen Strukturen lernen. Eine Pause vom Alltag. Und jetzt verstehe ich auch, warum genau diese sechs langen Ferienwochen gut sind. Denn die Entwicklung, die unser Schuljunge in dieser Zeit gemacht hat, war riesig.
Wir verbrachten eine Woche im Urlaub am holländischen Strand und hatten noch eine weitere Woche daheim zusammen. Der feine Herr war drei Tage bei seinen Großeltern. Er war mit uns Eltern im Büro. Und verbrachte zwei Wochen mit seinen Freunden bei den Kinderferienspielen. Ferienzeit heißt für uns Eltern ja leider nicht automatisch, dass wir dann auch Urlaub haben können. Trotzdem war unser Alltag nicht so durchgetaktet wie sonst. Die Kinder gingen spät ins Bett und schliefen länger. Wir hatten kaum Termine und ließen uns so gut es ging treiben, unternahmen viele Dinge gemeinsam und waren ziemlich oft im Schwimmbad.
So selbständig wird man in den Sommerferien:
Alleine Besorgungen machen
Gut, dass ich mich getraut habe, alleine mit zwei Kindern schwimmen zu gehen. Ich dachte, das könnte ich nie wuppen, mit einem Nichtschwimmer und einem noch nicht sicheren Schwimmer unterwegs zu sein. Aber – wer hätte das gedacht – ich hatte die entspanntesten Nachmittage seit langem. Ins Wasser gehen wir gemeinsam. Ansonsten liegen wir auf der Decke oder spielen Karten. Und wenn der Herr Pommes oder Eis essen möchte, auf Toilette muss oder auf den Ballspielplatz will, dann geht er da alleine hin. Und nimmt sogar seinen Bruder mit. Stolz wie Bolle kommen die zwei dann mit ihren Einkäufen oder Erkundungstouren zurück.
„Ich hol mir mal ne Pommes. Kommst du mit, Rabauko?
Verantwortung übernehmen
In den Ferien mussten wir feststellen, dass unser Kater Schildrüsenprobleme hat. Zweimal am Tag muss Kofi nun eine Tablette essen. Das geht zum Glück ganz easy, wenn man die Pille mit Malzpaste einschmiert. Der Herr hat nun die Aufgabe, jeden morgen mit an das Medikament zu denken und es ihm zu geben. Und weil ihm sein bester Freund wichtig ist, hat er sich sogar eine ToDo-Liste geschrieben.
„Mama, hat der Kofi schon seine Tablette?“
Selbstvertrauen beim Schwimmen und Tauchen
Da der Herr auch nach dem Seepferdchen-Kurs kein Abzeichen hatte, haben wir viel im Schwimmbad geübt. Am Ende hat die Anschaffung einer Schwimmbrille den Durchbruch gebracht. Der Herr schwimmt und taucht nun wie ein Delphin. Wir müssen nur noch etwas an der Ausdauer arbeiten – mehr als 50 m schafft er noch nicht. Aber ihn kurz im Nichtschwimmerbecken alleine lassen, damit ich mit dem kleinen Bruder pieseln gehen kann, ist schon drin.
„Schau mal, ich kann bis zum Boden tauchen.“
Unbeaufsichtigt spielen und Vereinbarungen einhalten
Gerade an fremden Orten war ich bisher immer vorsichtig. Aber als im Urlaub in Holland permanent der Wunsch kam, in den Dünen zu spielen, hab ich den Herrn einfach machen lassen. Hinterm Haus und in einem bestimmten Radius war das ok. Dieses Vertrauen zog sich dann auch mit in die Ferienspiele am Schwimmbadtag. 370 Kinder mit 50 Betreuern gleichzeitig im Hallenbad – puhh. Da der Herr noch kein Bronzeabzeichen hat, haben wir vereinbart, dass er nur dort ins Wasser gehen soll, wo er stehen kann. Ich muss sagen, das hat mich schon etwas Überwindung gekostet, nicht dabei sein zu können. Aber letztendlich war er gar nicht im Wasser, da es ihm zu voll war. Er hat das ganz alleine für sich entschieden.
„Können wir in den Dünen spielen gehen?“
Bus fahren und Neues wagen
Am Anfang der Ferienspiele war der Herr sehr aufgeregt und wollte gar nicht hingehen. Alleine mit dem Bus zu einem unbekannten Ort fahren und dann alleine wieder zurück. Das war ihm echt nicht geheuer. Wo wird der Bus hin fahren? Was ist, wenn er in den falschen Bus einsteigt? Wo wird es Mittagessen geben? Sind meine Freunde auch dort? Er war so wahnsinnig aufgeregt und ich habe mit ihm viele Möglichkeiten durchgesprochen. Sogar die Menüpläne haben wir uns angeschaut. Das hat ihn etwas beruhigt – und dann ist er alleine mit den anderen Ferienkindern losgezogen. Jetzt kann er es kaum erwarten, nächstes Jahr wieder mitzumachen. Er hat neue Kinder kennen gelernt und Neues gewagt.
„Mama, nächstes Jahr, da bin ich schon in der Grünen Gruppe. Und dann bauen wir wieder ein Lager.“
Die Uhrzeit lesen und unabhängig werden
Der feine Herr hat sich plötzlich eine Uhr gewünscht, die er sich dann letztendlich selbst ausgesucht und gekauft hat. Er wollte die Uhr unbedingt für die Ferienspiele haben, damit er den Bus nicht verpasst. Von einem auf den anderen Tag hat er das mit dem Uhren lesen so richtig geschnallt. Die beste Anschaffung, um unabhängig zu werden! Denn auf einmal kann ich ihm sagen, wann er von seinem Freund heim kommen soll. Und auch morgens schaut der Herr auf seine Uhr. Dazu hat er auch noch einen Hausschlüssel bekommen, damit er immer, wenn er möchte, alleine in unsere Wohnung kommt.
„Oh, ich muss mich ja beeilen. Der Bus kommt in 20 Minuten!“
Ich bin ehrlich gesagt richtig stolz auf diese neuen Skills, die dem Schulkind im nächsten Schuljahr meines erachtens sehr viel bringen werden. Und froh, dass wir die Ferien nicht mit Hortbetreuung vollgestopft haben. Dass wir nicht am Schriftbild geübt haben. Nur gelesen hat der Herr ab und zu – ganz freiwillig. Weil er eben Lust darauf hatte.
Ich denke, Ferien sind dazu da, einfach an sich selbst zu wachsen. Neues auszuprobieren und kennen zu lernen. Sich mal zu langweilen und kreativ zu werden. Zeit mit der Familie und den Freunden zu verbringen. Dafür ist kein teurer Urlaub nötig und schon gar keine Ferienkurse. Denn ganz ehrlich – wir wollen ja auch in unserm Urlaub keine Weiterbildung für die Arbeit machen.
Ich freue mich ganz ehrlich auf die nächsten Sommerferien.
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