Wenn ihr Märchen genauso liebt wie ich, vor allem wenn sie schaurig und düster sind, werdet ihr vielleicht den Film Pans Labyrinth von Guillermo del Toro kennen. Und wenn nicht, dann wird es jetzt Zeit, denn Cornelia Funke – die Meisterin hinter Tintenherz und den Drachenreitern – hat diese verzaubernde und verstörende Erzählung auf del Toros Anfrage zu Papier gebracht.
Und ich muss sagen, dass ihr die Buchversion Das Labyrinth des Fauns wunderbar gelungen ist. Obwohl ich beim Lesen die vor Jahren gesehen Bilder wieder vor Augen hatte, musste ich den Film gleich nochmal schauen. Funke gelingt es Fantasy und historische Gegenwart zu verweben und dazu noch eine dritte Ebene aus märchenhaften Hintergründen mit einzuflechten, die für Klarheit sorgt.
Ich bin nie stolzer auf ein Buch gewesen. Ofélias Geschichte hat mich mit ihrem Bekenntnis zu Verantwortlichkeit, Mut und der Verpflichtung, sich dem Bösen entgegenzustellen, zutiefst berührt. Diese Botschaft war nie wichtiger, und sie ist heute genau so aktuell wie in der Zeit, in der Das Labyrinth des Fauns spielt.
Cornelia Funke
Darum geht´s in Das Labyrinth des Fauns
Spanien, 1944: Ofélia zieht mit ihrer hochschwangeren und schwachen Mutter in die Berge, wo ihr neuer Stiefvater mit seiner Truppe stationiert ist. Doch General Vidal ist ein grausamer und kalter Mensch, der für Emotionen und vor allem für Ofélia nicht viel übrig hat.
Inmitten ihrer Realität innerhalb des Faschistischen Regimes findet Ofélia ein uraltes Labyrinth hinter der alten Mühle, in der sie lebt. Dort trifft sie auf einen geheimnisvollen Faun, der in ihr die verschwundene Prinzessin Moanna des Unterirdischen Königreiches erkennt. Er stellt Ofélia drei gefährliche Aufgaben, die sie bis zum nächsten Vollmond erfüllen muss. Schafft sie es, kann sie als Prinzessin in ihr Reich zurückkehren und ihren Platz auf dem Thron wieder einnehmen.
Immer tiefer wird Ofélia in eine phantastische Welt hineingezogen, die wundervoll ist und grausam zugleich. Und auch die Realität hält viele Schicksalsschläge bereit.
Die Traurigkeit ihrer Mutter kam zu Teilen daher, dass sie nur das für Wirklichkeit hielt, was sie unmittelbar umgab und betraf. Bücher hätten ihr so viel mehr erzählen können, über diese Welt und über ferne Orte, über Tiere und Pflanzen, über die Sterne! Sie konnten Fenster und Türen sein, Flügel aus Papier, die einem halfen, davonzufliegen.
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Mit Fantasy der Realität entfliehen
Cornelia Funkte teilt Das Labyrinth des Fauns in viele kleine Kapitel, die in der Gegenwart um 1944 spielen, aber auch märchenhafte Rückblenden enthalten. Anders als Alice (Alice im Wunderland) oder Dorothy (Zauberer von OZ) wechselt Ofélia nicht die Dimensionen, um in ihre Phantasiewelt zu gelangen. Der Faun und seine Elfen besuchen sie direkt in der Realität des spanischen Bürgerkriegs und auch hier muss sie die Prüfungen absolvieren.
Weil Ofélia an Märchen und Feen glaubt, tritt sie so einer Riesenkröte und einem schrecklichen Kinderfresser mit wabbeliger Haut und Augäpfeln in seinen Handflächen entgegen. Erst später zweifelt sie an den Worten des Fauns und daran, ob er ihr wirklich helfen möchte. Bis zum Ende ist es daher ungewiss, ob sich Ofélia ihre Märchenwelt nur einbildet, um der gnadenlosen und von Gewalt, Hunger und Verlust gezeichneten Realität zu entkommen. Oder ob sich doch alles genau so zugetragen hat.
Märchen sorgen für Klarheit
Auch wenn Ofélia die Hauptprotagonistin ist, gibt es noch weitere wiederkehrende Erzählstränge, wie Hauptmann Vidal, Ofélias Stiefvater. Ofélia nennt ihn den „Wolf“, denn er ist grausam und kaltherzig. Er liebt es, die Rebellen zu jagen, genauso wie sie später zu foltern.
Sein Gegenpart ist die einzige Vertraute Ofélia, Mercedes. Sie ist Vidals Haushälterin und unterstützt die Rebellen in den Bergen tatkräftig. Ganz anders als Ofélia Mutter ist sie mutig, clever und hinterfragt Vidals tun.
Einen weiteren Handlungsstrang bilden dazu die märchenhaften Zwischenkapitel, die Cornelia Funke dem bildhaften Handlungsstrang aus dem Film ergänzend hinzugefügt hat. Die Geschichten erklären, wie Ofélias Zauberbuch entstand, wie die Kröte in den Feigenbaum gekommen ist und warum der Kinderfresser an seiner reich gedeckten Tafel sitzt. Diese Sagen von der Hexe Rocio, die im Mühlteich ertränkt wurde, oder von dem Jungen Serafin, der dem Kinderfresser entkam, könnten auf der einen Seite Ofélias Fantasie entspringen, auf der anderen Seite liefern sie Antworten auf Lücken, die der Film nicht liefern konnte. Ich finde sie wirklich bezaubernd.
Für alle, die die Bilder aus dem Film nicht vor Augen haben, liefern die schwarz-weiß Illustrationen im Buch viele Eindrücke. Sie haben etwas Düsteres an sich und spiegeln die schaurig schöne und zugleich verstörende Stimmung der Geschichte wieder.
Ich liebe dieses Buch und bin überzeugt, niemand hätte Pans Labyrinth besser als Buch umsetzen können. Absolutes Lesemuss.
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♥ Autor: Cornelia Funke / Gulliermo del Toro
♥ Illustration: Allen Williams
♥ Übersetzung: Tobias Schnettler
♥ Seiten: 320
♥ Alter: ab 14 Jahre
♥ Verlag: Fischer Sauerländer
♥ ISBN-13: 978-3737356664
♥ Preis: 20,- €