Neulich saß ich einmal wieder auf dem Weg zur Arbeit in der S-Bahn und sprach mit ein paar anderen Mamas über Religion und Toleranz. Dieses Gespräch ist noch lange in mir nachgehallt und hat mich an einen Beitrag erinnert, den ich vor fast einem Jahr angefangen habe zu tippen und dann doch wieder verworfen habe. Die Frage, die ich mir stelle: Warum zur Hölle gibt es keinen einheitlichen Religionsunterricht für ALLE Kinder ?
Ich verstehe es einfach nicht, dass in unserer Zeit die großen christlichen Religionsgemeinschaften immer noch so dermaßen Einfluss auf die staatliche Schulbildung haben müssen. Warum Kinder schon ab der ersten Klasse in katholisch, evangelisch und in andere Konfessionen aufgeteilt werden. Warum sie genau hier – wo man doch eigentlich am besten voneinander lernen könnte – separiert werden. Und warum nur wenige erkannt haben, dass man an diesem einfach Punkt, einem gemeinsamen Religionsunterricht, nicht nur voneinander profitieren, sondern auch gleich einen Stein für mehr Toleranz und gegen rechten Hass legen könnte.
Vom gemeinsamen Unterricht profitieren
Versteht mich nicht falsch. Jeder kann seinen Glauben daheim so ausleben wie er mag. In der Schule aber, da geht es nicht um Glauben, sondern um Bildung. Und dazu gehört es, sich Allgemeinwissen über alle religiösen Richtungen anzueignen sowie gemeinsame Werte zu erkennnen, um später geschichtliche und politische Prozesse zu verstehen. Und zwar für alle Kinder. Der Glauben, der hat da nix zu suchen. Und doch ist er so präsent.
Ich selbst bin kein Freund von Religion und konfessionslos, habe aber seit der ersten Klasse freiwillig am Reliunterricht teilgenommen, weil mir das weitaus sinnvoller erschien, als mit einer handvoll anderer Kinder in der Freistunde abzuhängen. Ich mochte den Reliunterricht sehr, fand es aber immer befremdlich, dass später in der Mittelstufe vermehrt Pfarrer- und Pfarrerinnen unterrichteten und andere Religionen immer nur mit dem „Außenblick“ betrachtet wurden.
Wer könnte besser von Ramadan und dem Zuckerfest berichten, als ein Kind, das dies in seiner Familie erlebt? Wie wäre es, wenn evangelische Kinder direkt katholische Kinder Fragen könnten, was es mit der Kommunion auf sich hat? Und wäre der Unterricht nicht viel interessanter und lebendiger, wenn alle darüber diskutieren würden, wie jeder Weihnachten feiert (oder auch nicht), um festzustellen, dass es viele Unterschiede, aber auch viele Gemeinsamkeiten gibt?
Dann müssten evangelische Relilehrer nicht den Schülern den Islam erklären, während die muslimischen, jüdischen und orthodoxen Mitschüler eine Freistunde – oder bestenfalls Ethik haben. Ein gemeinsamer Unterricht in Religion für ALLE ist für mich das beste Mittel zur Integration und zur Verständigung über kulturelle und religiöse Grenzen hinweg.
Glauben vs Bildung
Stattdessen ist der Religionsunterricht in jedem Bundesland unterschiedlich geregelt, meistens endet er in getrenntem Unterricht. Dabei wird der Religionsunterricht von der Schule mit eigenen Lehrkräften geführt und finanziert! Die Religionsgemeinschaften sind jedoch mittels staatlichem Aufsichtsrechtes für die Inhalte ihres Religionsunterricht verantwortlich. Dabei leiten sie die Inhalte für den Religionsunterricht von ihren Glaubensaussagen ab. Diese sind weder neutral noch objektiv. Das heißt zusammengefasst, der Staat zahlt dafür, dass die Glaubensgemeinschaften ihre eigenen Ideale verbreiten können.
Puh – hört sich für mich nicht nach einer wertfreien Kiste an, die geeignet ist, um sich als Schüler bundesweit ein objektives Bilder aller Glaubensrichtungen anzueignen. Und doch wäre das genau jetzt – während neu neuen Rechten mal wieder ihre Propaganda-Trommeln rühren und Scheiße verbreiten – so wichtig. Damit zukünftige Generationen von Anfang an ohne Vorurteile aufwachsen in dem Wissen, dass ein unterschiedlicher Glaube nicht heißt, dass man andere Werte haben muss.
Hallo🙂,
Bin Ethik Lehrerin und grundsätzlich deiner Meinung. Ich denke dass Ethikunterricht, auch wenn er in deinem Beitrag eher als Notlösung erscheint, einige deiner Forderungen erfüllen kann.
Übergreifender Religionsunterricht ohne konfessionelle Bindung klingt spannend. Man darf allerdings nicht vergessen, dass viele Muslima/Muslime ihren Glauben mit einem Stolz und einer Tiefe leben, der für die meisten westlichen Christen schwer nachzufühlen ist. Einheitlicher Unterricht unter dem Titel „Religionsunterricht“ dürfte daher Proteste bei den muslimischen Elternhäusern hervorrufen. Der Trend geht wohl eher zum zusätzlichen Angebot von Islamunterricht. An meiner Schule ist der Religionsunterricht übrigens ökumenisch, der unterrichtende Pfarrer trifft den Nerv aller Eltern und Schüler. Als Ethiklehrer plädiere ich natürlich, und dabei in etwa deiner Argumentationslinie folgend, für die Abschaffung des konfessionsgebundenen Religionsunterrichts und die neutrale Betrachtung aller Glaubensrichtungen in Ethik. Aber auch ich weiß, dass Ethik als Schulfach nur geschaffen wurde, weil es Religionsunterricht gibt und das Fach sterben würde, wenn der Religionsunterricht gestrichen würde… Aber wer weiß. Vielleicht tut sich ja noch was.