Gestern war ein ziemlich beknackter Sonntag. Der Iromann hatte abends zuvor auf einer Geburtstagsfeier gelumpt und war out-of-order. Dazu kam, dass der kleine Mister sich dermaßen über seine Rotznase ärgerte, dass die Nacht im 30-Minuten-Takt gemotz wurde. Ich also unausgeschlafen mit Senior Rotzi, dem feinen Herrn und einem verkaterten Ehemann. Ganz ganz toll. Nicht. Trotzdem habe ich viel gelernt. Über Igel. Und über meinen Sohn.
Mittags fuhr ich also mit zwei Kindern zur Oma zum Mittagsessen. Ohne Iromann. Und fand auf der Straße vorm Haus meiner Schwiegereltern ein winziges Igelchen. Normalerweise sind Igel ja nachtaktiv und machen sich im Herbst so langsam winterfit. Dass der Mini-Igel in zwei Monaten noch keine wärmende Speckschicht haben würde, sah ich auf einen Blick. Dazu kam, dass er tagsüber scheinbar nach Futter suchte. Mir war sofort klar: Der braucht Hilfe.
Diesen kleinen Kerl fand ich auf der StraßeHerrSjardinski war ganz verliebt in das Igelchen. Zu Hause bauten wir gleich eine schöne Unterkunft: Karton mit Häuschen sowie ein Schälchen mit Wasser und einem mit etwas Katzenfutter. Der Baby Igel haute auch gleich ganz schön rein. Während der Igel also etwas gegen seinen Hunger tat, versuchte ich rauszufinden, wohin mit dem kleinen Kerl. Denn dass wir ihn nicht behalten können, war klar. Jendefalls mir. Dem feinen Herrn nicht.
Als HerrSjardinski mitbekam, wie ich mit Tierschutz und Igelaufzuchtstation telefonierte, weinte er bitterlich. Er wollte den Igel behalten. Es wäre unfair, ihn dahin zu geben, wo einer schon ganz viele – also quasi ALLE – Igel hätte. Der Iromann (mittlerweile wieder halbwegs fit) und ich versuchten ihm zu erklären, dass wir uns nicht so gut um den Igel kümmern können. Dass wir uns zu wenig mit Igeln auskennen und nicht wissen, was er braucht. Und dass der Igel sowieso wieder frei gelassen werden muss, sobald es ihm besser geht.
Igel sind Wildtiere und noch dazu geschützt. Man darf sie eigentlich gar nicht aus der Natur entnehmen. Außer sie sind sichtbar verletzt, krank oder unterernährt. Und man sollte sie aus sofort an einen Tierarzt, Tierheim oder am besten einer Igelaufzuchtstation aushändigen. Nachdem ich die Adresse hatte, fuhren wir gleich los.
Kurzer Zwischenstopp bei uns zu HauseSenior Rotzi jammerte (Nase verstopft), der Iromann stöhnte (etwas schlecht) und HerrSjardinski weinte und weinte. Ich weiß gar nicht, wie ich es geschafft habe, gleichzeitig unfallfrei zu fahren, den Weg zu finden und den feien Herrn zu beruhigen. Es. War. Mega. Anstrengend.
„Ich bin so traurig. Buhhuuu. “ Der feine Herr reißt sich seine Fliege vom Kragen. „Die trage ich nur wenn ich fröhlich bin. Wäääh.“
Wir steigen ins Auto ein und fahren los.
„Ich will auch ein eigenes Tier haben. Bääähäää.“
„Du hast doch zwei Katzen.“
„Nein, ein eigenes Tier. –Schluchz – Ich will einen Papagei. Wäääh“
Es folgte eine Diskussion, dass Papageien nicht so geeignete Haustiere sind, dass man sich um eigene Tiere auch selbst kümmern muss, dass das sehr viel Verantwortung ist usw. Dazu noch eine Erklärung, wie niedlich Mäuse, Hamster und Meerschweinchen sind, aber dass man so kleine Tiere sehr vorsichtig behandeln muss. Und ein Versprechen, dass wir uns erkundigen, was sein Wunschtier – Eidechse – so braucht und wie man die halten muss. Jipiieyeah.
Kurze Weinpause, dann ging wieder alles von vorne los. Mittlerweile bekam ich langsam genauso Kopfschmerzen wie der Iromann.
„Der Igel ist mein Freund. Ich hab gar keine Freunde mehr. Alle meine Freunde verlassen mich und ziehen weg.“
Aha – darum ging es eigentlich. Mir schossen Tränen in die Augen, die ich ganz schnell versuchte wieder wegzublinzeln. Ich fuhr ja Auto! Durch den Schulanfang sind nicht nur alle Schulkinder aus dem Kindergarten, sondern auch alle Vorschulkinder in eine eigene Gruppe gekommen. Und dann sind noch zwei von HerrnSjardinskis Freunden wirklich weggezogen. Unterm Strich hat er jetzt zu drei wirklich guten Kita-Freunden keinen Kontakt mehr. Dazu noch alle anderen Kinder, die er jetzt nicht mehr oder selten sieht. Ganz schön viel Veränderung auf einmal. Kein Wunder, dass ihn das Weggeben des Igelchens so schwer fällt.
Es folgte ein Gespräch darüber, dass man sich eben dann mehr nachmittags verabreden muss. Ich versprach, mich mit den Mamas seiner Freunde abzusprechen und Verabredungen zu organsieren. Puuh – war´s das? Wir kamen bei der Igelstation an und HerrSjardinski durfte sich alle Igelchen anschauen. Unser Igeljunge gehörte zu den kleinsten (obwohl da noch ein halb so großer war) und wog 140 gramm. Er wurde auch gleich von dem Igelprofi untersucht und gegen Milben und Flöhe behandelt. Die Milben wären wohl – abgesehen von fehlenden Winterspeck – tödlich gewesen, denn so kleine Igel haben noch keine Abwehkräfte gegen Parasiten. Puh – alles richtig gemacht.
Trotzdem brachen auf dem Heimweg bei HerrSjardinski wieder die Tränen aus, während MisterWin schrie (Hunger, Rotzi, Langeweile). Es war mega anstrengend und ich am Abend so platt wie schon lange nicht mehr. Jetzt brauchte ich aber ne richtige WEIN-Pause 😀 Aber hey – wir sind Igelretter. Und ich würde es jederzeit wieder tun.
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