Vor einiger Zeit ist ja mein Opa gestorben. Mit HerrnSjardinski zusammen habe ich mich damals von dem im Sterben liegenden Uropa verabschiedet. Auch zur Beerdigung wollte der feine Herr unbedingt mit. Er war ganz ehrfürchtig und interessiert. Denn der Tod beschäftigt ihn. Und noch immer spricht er vom Uropa, obwohl er ihn zu Lebzeiten nur sehr selten gesehen hat.
Vor drei Tagen hat der feine Herr eine Figur gebastelt. „Mit wenigen Haaren. Das ist der Uropa.“
Gestern hat er eine Kerze gemalt. „Für den Uropa. Weil der verbrannt wurde.“
Und auch in sein Freundebuch sollen wir für den Uropa reinschreiben. WTF??? Das ist schon etwas creepy, oder?
Vielleicht ist der Uropa gerade wieder so präsent, weil ja der Opa seit fast zwei Wochen wegen der Herz-OP im Krankenhaus liegt. Mit dem Begriff „Krankenhaus“ kommt eben auch etwas der Gedanke an den Tod. Der Tod ist furchteinflößend und faszinierend zugleich. Was genau mit uns passiert, wenn wir Tod sind, das weiß keiner. Ob Himmel, Reinkarnation, Geisterwelt oder das Auflösen in Energien – wir denken uns etwas aus, um es vorstellbar machen zu können. Und so haben wir auch dem feinen Herrn vom Himmel, einem schönen Ort mit Blick auf die Erde, erzählt. Dass man vermutet, dass dort die Toten hinkommen und nur der Körper zurückbleibt. Und dass dort eben der Uropa ist.
Und genau zu dieser Zeit, in der bei HerrSjardinksi der tote Uropa so oft aufpoppt, lese ich den Brief von Gluckeundso an ihre tote Schwester. Ich hörte wie sie ihn auf der Frankfurter Buchmesse vorlas. Und musste mit Tränen in den Augen daran denken, wie es mir mit fünf Jahren erging, als damals mein Onkel starb.
Der Bruder meines Vaters war nur 15 Jahre älter als ich. Für mich war er wie ein großer Bruder. Ich weiß noch wie er mit mir spielte und sich von mir durchkitzeln ließ. Mein Lieblingsonkel. Und dann – ich war mit meinen Eltern an der Ostsee – kam dieser Anruf. Meine Eltern sagten was von Motorrad-Unfall und dass er im Krankenhaus liege. Noch heute ist es so präsent für mich, wie ich auf dem Bett der Ferienwohnung liege, weine und immer wieder rufe „Er darf nicht sterben. Er darf nicht sterben.“ Immer und immer wieder diese zwei Wörter. Eine Erinnerung, die mir nicht aus dem Kopf geht. Vielleicht wusste ich da schon, dass meine Eltern mir nicht alles gesagt hatten. Kinder haben feine Antennen – vielleicht spürte ich, dass etwas ganz und gar nicht stimmte. Denn mein Onkel war sofort tot gewesen, als er auf diesen LKW fuhr. Genickbruch. Meine Eltern klärten mich erst nach meiner heftigen Reaktion auf.
Zur Beerdingung konnten wir nicht fahren. Mein Vater hatte im Norden eine wichtige Schulung und konnte nicht weg. Und so konnte auch ich nicht an Grab. Nicht Abschied nehmen. Wenn man an einem Grab steht, wird der Tod etwas begreiflicher. Man merkt: Es ist vorbei. Vielleicht habe ich durch den verpassten Abschied im Laufe meines Lebens so oft an meinen Onkel denken müssen. Obwohl ich ihn eigentlich kaum kannte, mich so gut wie nicht an ihn erinnern kann. Sein Gesicht ist mir nur durch Fotos bekannt. In meinen Erinnerungen ist es nicht.
Das erste Mal an seinem Grab war ich an der Beerdigung meines Opas gewesen. Ein Abschied für zwei. Habe ich auch so viel über den Tod als Kind gesprochen, so wie es HerrSjardinski gerade tut? Wollte ich auch, dass mein Onkel in mein Freundebuch reinschreibt? Ich weiß es nicht. Vielleicht, denn ich habe mit sechs Jahren meine tote Katze wieder ausgegraben. Weil ich wissen wollte, wie so ein Körper nach zwei Jahren in der Erde aussieht. Den Katzenschädel bewahrte ich noch sehr viele Jahre auf und schaute ihn mir immer wieder an. War es, um den Tod begreifbarer zu machen? War es dieses „nicht loslassen können“?
Ich hoffe, dass wir dem feinen Herren den Tod gut erklärt haben. Dass er damit umgehen kann, wenn vielleicht das nächste Mal jemand aus der engsten Familie stirbt. Dass er Abschied nehmen kann. Und niemand ausgegraben wird. Auch keine Katzen.
Der Uropa mit dem feinen Herrn 2011 (Opa: 93, HerrSjardinksi 1)Habt ihr ähnliche Erlebnisse?
Meine aller erste Begegnung mit dem Tod hatte ich, als kleines Mädchen. Ich weiß gar nicht wie alt ich war. Mein Onkel der wie ein Teil meiner Familie im Ausland lebte starb sehr jung durch eine Überdosis Heroin. Das war alles sehr viel für mich. Ich durfte nicht mit zur Beerdigung reisen, dass hat mich lange sehr traurig gemacht, weil ich eben nicht Tschüss sagen durfte. Damals schwor ich mir dass meine Kinder Abschied nehmen dürfen.
Dann war es 2012 soweit. Mein Opa starb am 23.12. Damals war die Große gerade 2 geworden und die Lütte 6 Monate alt. Es war meine erste Beerdigung und ich wusste nicht was auf mich zu kommt. Ich hab es mir sehr schwer gemacht mit der Entscheidung ob die Knder mitkommen sollen oder nicht. Einerseits wollte ich trauern dürfen ohne Rücksicht auf die Mädchen nehmen zu müssen, andererseits wollte ich sie nicht ausschließen. Meine Familie redete auf mich ein die Kinder nicht mitzunehmen, sie sind noch zu klein und bekommen doch nix mit. Aber ich wusste ja aus eigener Erfahrung, dass das nicht so ist! Natürlich bekommen sie was mit. Ich hab ja Zuhause auch geweint und hab Ihnen erzählt was passiert ist.
Letztendlich waren sie bei der Beerdigung nicht dabei, aber beim Essen hinterher sind sie dann mit dem Papa dazu gekommen. So war es die Beste Entscheidung für uns alle. Die Mädchen waren dabei, aber haben doch nicht alles zu 100% hautnah erlebt.
Heute sind sie fast 5 und 3,5 Jahre alt und ich würde sie sofort mitnehmen, wenn sie wollten! Das ist ein wichtiger Punkt bei der Trauerarbeit wie ich finde.
Auch heute redet die Große noch davon, dass mein Opa ja gestorben ist. Wir haben auch schon sein Grab besucht und Blumen hingelegt. Ich binde sie da mit ein und bin gespannt was sie dazu sagen wenn sie erwachsen sind. Ob es die Richtige Entscheidung war wie wir es gemacht haben, werde ich dann vllt erfahren…