Prall gefüllte Adventskalender, Wichtelgeschenke für die Klasse, Weihnachtsessen mit Freunden und natürlich Geschenke, Geschenke, Geschenke: Wir steuern auf das „Konsum“-Fest des Jahres zu. Ein Monat, bei dem auch bei uns immer das Geld etwas knapper ist. Aber wenn wir aus der priveligierten oberen Mittelschicht schon auf den Kontostand schauen müssen, dann ist es für armutbetroffene Menschen umso schwerer, mit dem Wenigen, das sie haben, ihren Kindern auch nur vielleicht DEN EINEN Wunsch zu erfüllen. Menschen, die ihren Kindern dann erklären müssen, warum nur ein Geschenk unterm Baum liegt, obwohl die Kids doch „das ganze Jahr brav“ waren. Celsy Dehnert erzählt in „Das Gefühl von Armut“, wie es sich anfühlt, nicht dazugehören zu können, weil man die falsche Kleidung trägt, wie sehr einem Getränkerunden den Schweiß auf die Stirn treiben und wie man sich schämt, an der Supermarktkasse auch mit Coupons nicht alles zahlen zu können. Ein Buch mit gehörigem Perspektivwechsel, das uns anders achtsam durch den Alltag blicken lässt – nicht nur zur Weihnachtszeit.
Darum geht´s in Das Gefühl von Armut
Kinder, die nicht mit auf Klassenfahrt fahren können, Teenager, die wegen der falschen Kleidung gemobbt werden, Young Professionals, die allein zu Mittag essen, weil die Kantine zu teuer ist: Armut macht einsam und hält Betroffene klein. Denn Armut prägt und lässt dich niemals los. Und wenn Wohnen immer teurer wird, Lebensmittelpreise immer weiter steigen und wenn die Gehälter hinter der Inflation zurückbleiben, bedroht Armut auch die Mittelschicht .
Wie fühlt es sich an, arm zu sein? Es geht um Herzrasen an der Supermarktkasse, Schuldgefühle bei Spontankäufen, ein geringes Selbstwertgefühl. Celsy Dehnert zeigt aus eigener Erfahrung, was Armut mit Menschen macht und was das mit unserer Klassengesellschaft zu tun hat. Und sie gibt eine Antwort darauf, was wir tun müssen, damit alle eine Chance bekommen.
Die gesellschaftlich etablierte Annahme wurde: Wer bunte Haare, Tattoos und Piercings trägt, gehört also wohl zur gescheiterten Unterschicht, die für ihr Elend selbst verantwortlich ist. Und wer würde denn wohl jemanden, der oder sie nach „Unterschicht“ aussieht, das eigene Geld anvertrauen? Richtig, niemand.
Das Gefühl von Armut, Seite 131
Warum Armut isoliert und es so schwer ist, aus ihr rauszukommen
Erst einmal: Ich bin von dem Buch zutiefst berührt. Und das aus mehreren Gründen. Einmal schildert Celsy Dehnert darin einen Teil ihrer eigenen Kindheit und Jugend in prekären Verhältnissen, die einem vor Augen halten, wie gut man es vielleicht selbst getroffen hat, aber auch wie schwer es dagegen andere haben. Flashbacks an die eigene Kindheit und damalige Freunde nicht ausgeschlossen. Obendrauf zeigt die Autorin aber auch, wie schwer es ist, diesem Kreislauf aus knapper Kohle, geringen Teilhabemöglichkeiten, fehlender Unterstützung durch den Staat, einem ausgrenzenden Umfeld und geringem Selbstwert zu entkommen – und ihn auch nachhaltig abzulegen.
Ich selbst bin in einem Haushalt groß geworden, in dem eine zeitlang das Geld knapp war und meine Mutter uns strickend durch schwere Zeiten brachte. Als kleines Mädchen trug ich Secondhand, Selbstgenähtes und -Selbstgestricktes (Mitte der 80ziger mega uncool). Mein großer Traum war damals ein Faschings-Prinzessinnenkleid von der Stange, das wir uns nicht leisten konnten. Und erfuhr mit meinem selbst gemachten Kostüm Ausgrenzung im Kindergarten, denn ein Mädchen mit kurzen Haaren, Hose und Gardinenumhang konnte keine Prinzessin sein, ein Junge in besagtem Kleid schon. Trotzdem hatte ich im Gegensatz zu Celsy Dehnert alles – ich merkte von der Geldknappheit kaum etwas. Wir fuhren zwar nie in den Urlaub (außer die Großeltern zahlten), aber es gab immer genug frisches Essen und auch meine Wünsche nach Ballettstunden oder dem pinken Ranzen zur Einschulung (zwar kein Scout, DIE Marke damals, aber okee) wurden erfüllt.
Dieses Buch öffnet die Augen für die Menschen, die im Schatten leben
Celsy Dehnert rüttelt auf und zeigt, was Armut bedeutet und was sie mit einem macht! Es geht dabei auch um Veränderungen, wie den Vintage-Hype Besserverdienender, die Notwendigkeit von FastFashion, teuere Mieten, Mittagessen mit Kollegen und so viel mehr. Einblicke, die ich mir viel mehr im Alltag zu Herzen nehmen möchte. Die 10 Euro für das Erzieherinnengeschenk, die teure Skifreizeit (die Pflichtfahrt ist und jede Menge Ausrüstung voraussetzt), die geteilte Rechnung fürs Weihnachtsessen oder der Betrag fürs Wichtelgeschenk: Das fängt dabei an, auch mal Einwände hervorzubringen, auch wenn man nicht selbst betroffen ist. Denn die, die sich all das nicht leisten können, werden eher weniger den Mut haben, ihre Geldnot anzusprechen, weil sie im Kopf schon rechnen, wieviel Mahlzeiten sie sich am Monatsende nicht leisten können.
Am Ende musste ich sogar ein paar Tränchen verdrücken, weil mich die Schilderung der helfenden Schwiegermutter so berührt hat. So möchte ich später auch sein! Sowieso bin ich gerade so inspiriert und könnte selbst ein ganzes Kapitel über meine Gedanken schreiben! Nur noch soviel: Gerade jetzt zur Weihnachtszeit sollten wir achtsam mit unserem Umfeld sein, denn nicht in jeder Familie ist der Geschenkeberg unterm Baum oder die Skireise in den Winterferien Standard – im Gegenteil. Ein Wissen, das auch an ältere Kindergartenkinder vermittelt werden kann. Und denen, die sich nicht in armutsbetroffene Menschen hineinversetzten können: legt dieses Buch untern Baum! Ein Friedrich Merz sollte es zum Beispiel dringend lesen!
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- Autorin: Celsy Dehnert
- Seiten: 240
- Verlag: EMF
- ISBN-13: 978-3745923438
- Preis: 16,- €
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